Ciao Comandante!
Ohne – wie die meisten wohl – in Kuba je gewesen zu sein und die Bilder des »Buena Vista Social Club« vor Augen, denen man gewiss nicht unendlich trauen und sie nicht für repräsentativ halten sollte: in jeder Kameraeinstellung dort waren selbst im Hintergrund nur Menschen zu sehen, die recht zufrieden wirkten, geradezu fröhlich. Wo sieht man die in unseren Straßen?
Der wenige Besitz, der desolate Zustand der Umgebung, kann ihnen offenbar nicht so viel anhaben. Und alle Unzufriedenen können auch nicht in Gefängnissen sitzen – obschon dort sicherlich einige sind, die eigentlich Selbstverständliches forderten, etwas wie Meinungsfreiheit. Doch Lebensfreude scheint im Kern wirklich nicht vom Wohlstand (aber einer gewissen Grenze freilich) abzuhängen. Im Vergleich zum Leben vieler dort erscheint paradoxerweise gerade das unsere als eines in generalstabsmäßigen Verhältnissen. Auf die wir auch keinen so unendlichen Einfluss haben. Unser Bildungssystem, das außer den Kultusministern wohl jeder, höflich formuliert, für überholungsbedürftig hält, das Kinder zwar nicht allzu sehr bildet aber frustriert – wir schaffen es bei allen Freiheiten und aller Demokratie nicht, es wirklich zu ändern.
Zurück nach Havanna: Eine Öffnung der Insel ist den Menschen so zu wünschen, wie man sie gleichzeitig am liebsten davor beschützen würde – es tut einem fast weh, zu sehen, wie groß der Reiz des Materiellem ist und wie wenig lang er hält. Das »immer mehr« greift einfach auf jedem Niveau und kennt kein Ende, wie auch der elende, einem selbst ja nur zu bekannte Mechanismus des, »wenn dann«: wenn dies erreicht/gekauft ist, dann bin ich glücklich.
Vielleicht wird dies an der Person des »Maximo Leader« so spürbar, so fühlbar: es ist ein kaum zu gewinnender Kampf. Castro war deshalb vielleicht mehr Bild, mehr Symbol, als Mensch und Diktator. War so etwas wie eine Projektsfläche – unter Ausblendung vieler unguter Aspekte. Aber eben auch mit dem Wissen, wir brauchen eine Alternative zu Kommunismus und Kapitalismus. Für die Natur, für die Menschlichkeit. Umso schlimmer übrigens auch, dass Bernie Sanders den Versuch im anderen Extrem der Systeme nicht machen konnte. Das es er an ein gallisches Dorf erinnernden Insel auch nicht unbedingt leichter gemacht hat.
Ja, genau deshalb wird er tatsächlich fehlen, der »Comandante«, vielleicht weniger in Kuba, als andernorts. Und vielleicht sollte man deshalb auch die Schattenseiten seiner Regierungszeit nicht in den Vordergrund stellen. Bemerkenswert ist der gleichnamige Film, für den der bedingt sympathische US-amerikanische Filmemacher Oliver Stone, Fidel Castro drei Tage begleiten durfte. Er konnte nicht viel bestialisches berichten. Vielmehr sah er einen Mann mit Humor und, eher selten in Politikerkreisen, Abstand zu sich selbst – und dem, wenn auch nur bedingt gelungenen, so doch immer spürbaren Wunsch, das Beste für die Insel und ihre Menschen zu erreichen. Wie weit es erlaubt ist, das Gute mit schlechten Mitteln zu erreichen, sollen andere dann entscheiden.
Ciao Fidel – und lass den Himmel in Ruh.